Kapitel 3 dieser Arbeit beschäftigt sich, wie es für diese Arbeit nötig ist, mit der Kleidersprache. An dieser Stelle wird analysiert, wie wir diese Kleidersprache einsetzen und wen wir damit ansprechen wollen. Die Zeichen und Symbole der Sprache durch Kleidung werden herausgearbeitet und die verschiedenen Stilrichtungen der Kleidung dargestellt.
Der Begriff selbst ist französisch, kommt aber ursprünglich aus dem lateinischen (modus: Art und Weise, Maß) und ist eine allgemeine Bezeichnung für etwas, das dem vorherrschenden Geschmack in den verschiedensten Bereichen des Lebens entspricht und von ästhetischen und moralischen Kriterien beeinflußt wird.
Die Kleidung betreffend (einschließlich Frisur, Schmuck und Make-up), wurde der Begriff im 17. Jahrhundert aus der französischen Sprache im Sinne von Brauch entlehnt, mit dem neue, aus Frankreich stammende Kleiderarten bezeichnet werden. Heute hat Mode beziehungsweise modisch auch die Bedeutung von Zeitgemäß, das meist von kurzer Dauer sein wird.
Im Mittelalter bis in die beginnende Neuzeit verwies eine Kleiderordnung auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stand. Erst seid der Herausbildung eines Bürgertums und der Entwicklung einer modernen Industriegesellschaft hat die Mode ihre heutige Bedeutung als Zeichen des sozialen Wettbewerbs unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen bekommen. Begünstigt durch die Möglichkeiten der industriellen Herstellung von Bekleidung (Konfektion) im 19. Jahrhundert, hatten immer breitere Schichten an der Entwicklung der Mode Anteil. Es entwickelten sich Modezentren wie Paris (mit der Exklusivmode Haute Couture), später Mailand, New York, Berlin, von denen aus, unterstützt durch moderne Massenmedien, eine unbegrenzte Breitenwirkung der Modeindustrie ausgeht. Ab dem 2. Weltkrieg sind zyklische Phasenwechsel einer jeweils neuen Herbst- und Sommermode die Regel geworden.
Warum bedeckt ein Mensch sich mit einer zweiten Haut und mißt ihr dann noch soviel Bedeutung zu? Es gibt drei Hauptmotive:
Erstens als Schutz, zweitens aus Scham und drittens kleidet sich der Mensch als geschmückte Darstellung.
Die Schutzfunktion:
Schon der Urmensch hat sich mit umgeworfenen Fellen vor dem Wetter geschützt. Wind, Regen, Kälte und Hitze hätten ihn körperlich beschädigt. Anglerstiefel, Strahlenschutzanzüge und Schutzhelme sind nur einige Beispiele, warum auch die Schutzfunktion von Kleidung in unserer Gesellschaft eine Rolle spielt.
Hierbei ist zu beachten, daß die Qualität und das Material immer mehr an Bedeutung für das Fertigen von Kleidung ist.
Die Schamhypothese:
Das Schamgefühl ist in verschiedenen Kulturen in unterschiedlichen Situationen vorhanden. Beispielsweise bemalen sich die Ureinwohner Australiens lediglich mit Farbe ihre Körper, und betonen dabei noch ihre Geschlechtsmerkmale. Ebenso führt in bestimmten Kreisen das Sehen der Haut an den Beinen zu Entsetzen. Scham hängt als Kulturprodukt von den jeweils gültigen Normen ab. Wir alle kennen das Gefühl, in einer Situation zu fein („overdressed") oder nicht fein genug („underdressed") gekleidet zu sein.
Die geschmückte Darstellung:
Hier unterstellt man dem sich kleidenden Menschen das Bedütfnis, sich zu schmücken und darzustellen. Häufig symbolisiert Kleiderschmuck die Rangstufen einer Gesellschaft und beeinfußt damit das Verhalten des Trägers und des Gegenübers. Accesoires zählen ebenso zu Schmuck wie symbolhafte Kleidung (Hüte, Schmuck, Federn etc.). Ebenso muß an dieser Stelle die magische Kleidung erwähnt werden. Ein Radfahrer zieht immer dasselbe Trikot an um zu gewinnen, der Student, der sein Hemd in einer Prüfung immer linksherum trägt sind nur einige Beispiele. Im Widerspruch zur Schamhypothese stehen die Befunde von Archäologen und Anthropologen, die belegen, daß die erotische Zurschaustellung zu den ältesten und grundlegensten Motiven des Menschen gehört.
In der Fachliteratur finden sich noch weitere Beispiele für die Funktion von Kleidung, die allerdings in die vorher ausgeführten Beispiele und Erklärungen hineinspielen. So gilt, daß Kleidung ein Ausdrucksmittel der sozialen Identifikation darstellt. Kleidung wird aus Konformität mit Kleidungsnormen getragen und sie hat einen festen sozialen Bezugsrahmen. Auch spiegelt Kleidung den Zeitgeist wieder.
Die Gründe einer Person, sich aus welchem Grund wie zu kleiden, müssen in der jeweiligen Abhängigkeit des Individuums und der Situation gesehen werden, da jeder Mensch anders und einzigartig ist.
In diesem Zusammenhang betrachten wir das Bekleiden als ein zwischenmenschliches Ereignis, anstatt eine Beschreibung von Kostümen und Kleiderideen. Der Mensch sendet mit Hilfe der Kleidersprache Botschaften an seine Umgebung. Diese Botschaften können nur von Leuten verstanden werden, die diese gesendeten Signale auch verstehen.
Die Kleidersprachen haben Gemeinsamkeiten mit Körpersprachen. Da man durch Kleidung anderes mitteilt als durch Stimme, zählt man die Kleidersprache ebenso wie Gestik und Mimik zu nonverbaler Kommunikation. Diese nonverbalen Zeichen sind Begleiterscheinungen des Sprechens. Gestik und Mimik zeigen die im Augenblick des Sprechens gültigen Gefühlshaltungen, während die Kleidung ein Gefühl von Übereinstimmung, Gegensatz und Abhebung schafft. Dadurch bestimmt Kleidung die Bewertungsrichtung von dem Gesagten, indem sie ein Feld sozialer Beziehungen, Vorrechte und erwartbarer Reaktionen errichtet. Menschen bereiten sich mit ihrer Kleidung auf Sprechsituationen vor. Die Art der Kleidung beeinflußt das Sprechen und das Verstehen des Trägers genauso, wie der Umgang mit der eigenen Kleidung während des Sprechens selbst für das Gegenüber aufschlußreich wirkt.
Kleidung ist nicht auf die gleiche Art nonverbal wie Gestik und Mimik. Jedoch haben alle nonverbalen Zeichen ein paar Merkmale gemeinsam:
Die Zurechnungsfähigkeit des Senders ist vermindert. Nonverbale Mitteilungen sind nicht so stark der Selbstkontrolle unterworfen wie Worte. Da die Botschaften auf den Sinn gerichtet sind, vermitteln nonverbale Zeichen eine mögliche Welt. Sie lockern die verbale Stabilisierung des Wahrgenommenen und die Vernunft des Gedachten. Die Leistungen von nonverbalen Zeichen ist sozial, sie errichten zwischenmenschliche Beziehungen und sie schenken die Nähe und Gewißheit des anderen, sie zeigen Hoffnungen und Ängste.
Das Sprechen mit Kleidung kann gezielt beeinflussen und gewünschtes Verhalten auslösen. Fotos sagen über Kleidung oft etwas aus, was durch Worte oder Text nur unzulänglich beschrieben werden kann. Kleidersprache dient auch der Funktion der Selbstdarstellung von Gruppen und Institutionen. Oft werden ihre Zeichen zu Symbolen, die eine Gruppe kennzeichnen. Schließlich wird auch der einzelne durch Kleidersprache gekennzeichnet, hervorgehoben und verwandelt.
Zeichen (semiotische Frage)
Womit stellt sich der Mensch in welchen Situationen dar? Hier wird nach den Mitteln und Sachumständen der Selbstdarstellung gefragt. Beispiel: Eine 20-jährige Frau trägt beim Einkaufsbummel eine Schleife im Haar. Erwartungen des Betrachters könnten sein: mutig, reizvoll oder lächerlich. Man kann also auch fragen, für wen die Schleife ein Zeichen ist.
Inhalte (semantische Frage)
Bei der Frage, welche Botschaft dem vorgeführten Kleidungsstück entnommen werden kann, geht es um die gefühlsbezogene Deutung der Selbstdarstellung. Die Frau selbst kann die Schleife verspielt meinen. Ihr Freund aber faßt sie als sexy und verführerisch auf.
Ursachen (diagnostische Frage)
Hier wird nach dem Ursprung der Selbstdarstellung gefragt. Wie ist der Mensch, der sich auf diese Weise darstellt? Das Kleidungsstück wird zum Signal, das auf die Eigenschaften der Person und auf die gesellschaftlichen Quellen der Selbstdarstellung hinweist. Die Haarschleife kann so Anlaß sein, auf einen infantilen oder hysteroiden Charakter zu schließen. Die Antworten auf die diagnostischen Fragen bedürfen immer einer langen Beobachtungsphase und sind nie wirklich sicher.
Jede Objektgruppe (Möbel, Autos, Kleidung usw.) kann als Zeichen gedeutet und verwendet werden. Diese Objekte werden von den Mitgliedern einer Gesellschaft mit charakteristischen Botschaften vorgeführt. Diese Objekte haben einen Stil, der zur Verdeutlichung dieser Botschaften nach dem Verständnis jener Menschen gestaltet ist. Wenn man die Objekte im Rahmen von Kombinations- und Benutzungsregeln sieht, erkennt man das dahinter stehende Zeichensystem, die „Kleidersprache".
3.4 Kleidung als Mittel der Selbstdarstellung
Die natürliche Kleidung des Menschen ist seine Haut. Sie schütz die empfindlichen Organe und hält die Körpertemperatur konstant. Sie hat eine sehr wichtige physische Funktion. Mit ihren vier Sinnen für Wärme, Kälte, Druck und Schmerz stellt sie eine unmittelbare Verbindung zur Umwelt dar. Kleidung hilft uns, unsere Haut zu vergessen und uns ihrer zu schämen. Die Haut dient nur noch für auto-erotische Aktivitäten. Kleidung ist eine zweite Haut, die zusätzlich wärmt, kühlt, schützt, sich den Anforderungen der Umwelt anpassen läßt und Distanz schafft.
Unter dem Begriff Kleidung ist alles zu verstehen, was die Körperoberfläche verändert oder ergänzt. Dazu gehören also auch Schuhe, Frisuren, Tätowierungen, Schmuck, Hüte, Parfüms, Narben und Make-up. Jeder Kleidungswechsel und die Art des eigenen Umgangs mit Kleidung verändert einen Menschen. Die Vielfalt der Trageweisen von Kleidung wird heute von den Herstellern oft vorweggenommen. Mit seiner Kleidung wandelt sich der Mensch zu einem neuen Dasein. Menschen nutzen diese Verwandlungsmöglichkeiten unterschiedlich. Die Eingefügtheit zeigt jedes Individuum mit seiner Kleidung. Geschlecht, Alter, Berufsrolle, Gruppenzugehörigkeit und Status werden durch sie repräsentiert.
3.5 Das Bewußtsein des Sprechens mit Kleidung
„Jeder Träger von Mode wird zum Sender und Empfänger gleichzeitig: wer sendet, will auch empfangen; wer empfängt , will irgendwann auch senden."
Wörter werden kurz ausgesprochen , sie dauern Sekunden oder sind auf Abruf bereitgehaltene Aussagen. Kleidung dagegen wird stundenlang vorgeführt, ohne das sich der Träger von ihnen trennen kann. Die Qual einer unpassenden und unmöglichen Kleidung kennt jeder. Der Träger hat das Gefühl, daß man ihn anstarrt und über ihn tuschelt. Nur durch starke Motivation wird eine ungewöhnliche Kleiderbotschaft akzeptabel gemacht. Wenn die Motivation zu schwach ist, fühlt sich der Träger unbehaglich. Das Kleidungsstück verschwindet nach einem solchen Erlebnis für immer von der Bildfläche. Der Mut, etwas zu Kaufen ist nicht der, etwas auch zu tragen. Das Lieblingskleidungsstück verdeutlicht den glücklichen Kompromiß zwischen der öffentlichen und der intimen Lebensrolle und vermittelt so ein Gefühl von Geborgenheit. Die Reaktion des Gegenübers ist sehr wichtig, aber meist wird die Erwartungshaltung des Besitzers meist höher geschraubt, als die tatsächliche Reaktion. Diese Reaktion besteht vielleicht in einem charmanten Kompliment oder einer netten Bemerkung, oft erfährt man auch gar keine. Diese Reaktion ist bisweilen sprachlicher Art. Sie bestätigt dem Träger und somit Sender den Empfang seiner Botschaft. Die vorgeführte Kleiderbotschaft ist für viele Menschen kein Problem, da sie ihre Kleidung auf unbedachte Weise tragen. Diesen Menschen ist das Sprechen mit Kleidung nur vermindert bewußt. Erst auf negative Reaktionen hin fängt der Sender an nachzudenken, ist jedoch immer noch nicht in der Lage, die Botschaft zu analysieren und zu reflektieren.
Der Empfänger kann jede Botschaft individuell interpretieren, er setzt die Rangfolge und Schwerpunkte der Illusionen. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind ihm die Illusionen bewußter, die von typischen Rollenerwartungen geprägt sind, von der Bezugsgruppe diktiert werden und die seine selbsterlebten Rollen mit einbeziehen. Jedes Kleidungsstück kann von dem jeweiligen Empfänger seiner Nachricht unterschiedlich und sogar widersprüchlich interpretiert werden. Die Kleiderbotschaft wird erträglich durch ihre Übereinstimmung mit den Werten der Bezugsgruppe. Die durch die Kleidung angeregten Illusionen können für den Träger unentbehrlich sein, aber auch abgelehnt werden.
Hoffmann selbst testete die Kleidersprache am Beispiel eines Hutes. Dabei kam heraus, daß die „Hutlosen" mehr Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Selbständigkeit besitzen.
3.6 Die Richtungen der Kleidersprache
Mit seiner Kleidung spricht man immer auch zu den anderen und stets zu sich selbst. Somit gibt es mehrere Richtungen und Intentionen des Sprechens mit Kleidung:
An die anderen
Man zeigt mit seiner Kleidung sein Geschlecht, seinen Status, seine Gruppenzugehörigkeit, seine Mentalität und man stellt sich als Persönlichkeit dar, die Einschätzung und Zuwendung wert ist. Man möchte als schön, nett, selbstsicher, freundlich oder als begehrenswert gesehen werde. Selten ist man darauf bedacht, andere zu schockieren oder gar zu ängstigen. Genau wie beim Sprachgebrauch ist auch bei dieser Kommunikationsform immer ein bißchen Werbung und Täuschung im Spiel. In Modezeitschriften wird das Gefühl vermittelt, die anderen seien das Publikum. Der Träger will bewundert und bestätigt werden, deswegen zeigt er sich stets von seiner schönsten Seite. Auch im Alltag ist diese ästhetisierte Selbstdarstellung zu finden. Durch die Kleidung werden zwischenmenschliche Anliegen ausgedrückt. Dafür stehen beispielsweise die sexuelle Stimulation oder Anregung, Kontaktfreudigkeit oder Dominanz. Dadurch werden beim Empfänger dieser Botschaft unterschiedliche Gefühle ausgelöst, z.B. Angst, Interesse oder Mitleid. Der Sender hofft auf eine Antwort oder eine Reaktion von seinem Publikum, welche mit Sympathie oder Antipathie reagieren.
An sich selbst
Es gibt immer ein Sprechen, daß an sich gerichtet ist. Die bevorzugte Kleidung soll einem selbst in vielerlei Hinsicht gefallen. Abgesehen von dem Material, welches angenehm, bequem und gut sein soll, muß die Kleidung auch schön aussehen, Mut machen und die eigene Selbstsicherheit erhöhen. Kleidung kann aus seinem Träger Gefühle herauslocken, die er sonst nie erleben könnte. Die getragene Kleidung kann so eine Quelle der Sicherheit, der lustvollen Erregung aber auch der Unlust sein. Die Kleidung wird zum Partner, wodurch das Verhältnis zwischen ihnen wie jede Selbstkommunikation einen Hang zum egozentrischen und narzißtischen bekommt. Kleidung wirkt mit ihrer nach innen gerichteten Botschaft wie ein therapeutisches Kosmetikum. Soziale Konflikte können gedämpft und die gewünschte Gruppenzugehörigkeit symbolisiert werden. Allerdings sind die meisten Männer der Meinung, sie tragen ihre Kleidung aus rein funktionalen Gründen.
Nach innen und außen
Kleidung sendet oft unterschiedliche Botschaften in beide Richtungen. Zum einen soll sie den Träger wärmen und sich geborgen fühlen lassen, und zum anderen soll sie nach außen modisch und schön wirken. Der Vorrang wird einer der beiden Richtungen (an die anderen oder an sich selbst) gegeben. Die gewählte Kleidung präsentiert die Rolle, die man den anderen vormacht. Der Träger ist von dieser Rolle überzeugt, was man besonders gut am Beispiel der Maskerade verdeutlichen kann: Masken verändern das Verhältnis eines Menschen zu sich selbst, gleichzeitig verändert sich auch die Haltung der Mitmenschen. Der Mensch bricht aus, da Gefühlsbedürfnisse angesprochen werden, die sonst von der alltäglichen Rollenerwartung abweichen.
An niemanden und alle
Viele Menschen halten sich in bezug auf ihre Kleiderwahl streng an die Norm, sie wollen „bloß nicht auffallen". Diese Menschen leben nach festen Normen und regeln und wollen ihre Gefühlsbedürfnisse nicht bloßlegen. Zu den heutigen gesellschaftlichen Werten zählen Exaktheit, Makellosigkeit, Zielstrebigkeit, Unbekümmertheit, Gleichheit, Zusammengehörigkeit usw. Auch dieses Anpassen macht deutlich, daß dem Träger seine Kleidung nicht egal ist. Die angestrebte Anpassung an diese Werte ermöglicht ein störungsfreies Miteinander. Einige Menschen versuchen der normativen Ausdrucksarmut ihrer Kleidung zu entgehen, indem sie „Buttons" oder Aufnäher anbringen. Auf diesem Weg versuchen sie ihre Überzeugung zu signalisieren und schmücken ihre Kleidung auf. Manche Männer peppen ihre Kleidung mit eher unauffälligen Accessoires wie beispielsweise einer Krawattennadel auf. Sie brauchen noch ästhetische Argumente als Selbstrechtfertigung. Das Denken über Kleidung bei Männern ist tabuisiert, denn es würde Triebverzichte und Statussymbole entlarven.
3.7 Zeichen und Symbole der Kleidung
Wenn Kleidung als Forschungsgegenstand der Wissenschaft gesehen werden soll, muß genauer erläutert werden, was ihre „Zeichen" und „Symbole" sind.
Zeichen
Zeichen sind Teile, die eine Person mit ihrem Inhalt auf etwas anderes hin verweisen. Dies passiert auf zwei unterschiedlichen Wegen:
Entweder mit ihnen wird etwas nachgeahmt oder sie verweisen per Festsetzung auf etwas anderes. Zeichen können Eigentümlichkeiten eines Körpers nachbilden, betonen oder kaschieren. Sie können modischen oder altmodischen Kleidungskonzepten folgen und sie können die Materialien und Formen von festgelegten Zeichen nachahmen. Diese Nachahmungen (Imitate) verweisen auf Rollen, die durch Kleidung betont wird. Die Geschlechterrolle der Frau wird z.B. durch Zeichen wie Lippenstift, Make-up oder den BH betont. Diese Übersteigerung der Geschlechtsmerkmale knüpft ebenso an die vorgegebene biologische, wie an die überlieferte Körperlichkeit an. Nachahmende Zeichen helfen dem Träger die Gefühle anzuregen und an die Rolle zu glauben, die nach außen hin mitgeteilt werden soll. Zeichen, die nach festen Regeln soziale Rollen kennzeichnen, nennt man nach Werner Enniger (1981) Signeme. Die Gestaltung dieser Signeme ist nicht zu ändern und beruht auf Vereinbarungen. Sie verweisen auf die Funktionen und Pflichten einer Gruppe und sind mit Sanktionen aus dem zwischenmenschlichen verbunden (Uniformen, Trachten, Brautkleid...).
Symbole
Der Mensch kann beliebige Zeichen bilden, da bei ihm die Instinktorganisation aufgelöst ist. Diese Zeichen können gefühlsmäßig unterschiedlich stark besetzt werden, vom neutralen Hinweis bis hin zum affektiv beherrschenden Symbol. Jedes Imitat und jedes Signem kann zu einem Symbol werden. Diese Symbole markieren persönliche Eigenwilligkeiten, machen bei häufigem Gebrauch auf sich aufmerksam und weisen auf Konflikte zwischen der Angepaßtheit, dem Selbst und der erhofften Identität hin. Sie sind Zugangsorte zu der Persönlichkeit des Trägers und verweisen auf Gefühle der inneren Bereitschaft und des Verpflichtetseins. Es geht um die erlebte innere Einheit des Menschen, das Selbst und die Identität. Beispielsweise deutet das Dirndl auf die Wunschrolle des Trägers hin und kann bei häufigem Gebrauch zum Symbol werden.
3.8 Die Stilrichtungen der Kleidung
Fast jeder Kleidungsstil läßt sich in eine von den folgenden drei Hauptrichtungen zuordnen. Sie ist entweder sportlich-legèr, klassisch-konservativ oder auffällig-expressiv. Die Ausdrucksformen, Wünsche, Ziele und Ideale der jeweiligen Kleidung werden im folgenden genauer erläutert:
Sportlich-legèr
Dieser „Look" ist das Bekleidungsideal unseres Jahrhunderts. Der Mensch, der sich sportlich kleidet will Dynamik vermitteln. Er will zeigen, daß er ein sportlicher Mensch ist. Dieser Stil verdeutlicht Lässigkeit. Dem Träger geht es um eine Gesellschaft, die Toleranz und Mitmenschlichkeit in den Vordergrund schiebt und in der Macht keine große Rolle spielt. Er, der Stil, will die jugendliche Unbeschwertheit mit der Abwertung des Mächtigseins vereinbaren. Frauen, die diese Kleidung bevorzugen, meiden jegliche Kostümierung (z.B. als Bardame). Sie wollen nicht die Verführende und erst recht nicht die Verführte sein. Für sie wird das Macht- zu einem Dominanzproblem. Die Frauen möchten sich nicht unterordnen aber von sich selbst überzeugt sein können. Männer, die sich sportlich-legèr kleiden, wollen sich entweder nicht selbst zur Schau stellen oder Toleranz zum Lebensprinzip erheben. Materialien und Beispiele für diesen Stil sind Jeans, T-Shirts und Pullis aus Baumwolle.
Klassisch-konservativ
Dieser Kleidungsstil kann auch als „klassisch-formal" bezeichnet werden. Zu ihm gehören Worte wie „dezent", „brav" und „angezogen". Diese Kleidungsstücke werden im Hinblick auf die sozialen Konventionen und Normen charakterisiert, an denen ein Mensch als anständig, korrekt und gekleidet beurteilt werden kann. Männer bevorzugen diesen Kleidungsstil. Es geht aber Männern und Frauen um eine bedingungslose Anpassung an vorgegebene Rollen und Normen. Die Träger möchten als brav, artig, edel und dennoch verführbar gelten. Von klassisch gekleideten Männern erwartet man im Alltag viel Ernsthaftigkeit und Sachlichkeit (z.B. Bankangestellte, Autoverkäufer). Beide Geschlechter, die Männer sowie die Frauen, wehren einen Rollentausch ab. Weder will die Frau ein mächtiger Mann, noch der Mann eine dominierende Frau darstellen. Der Anzug und das Kostüm gelten als die Hauptkleidungsmerkmale dieser Stilrichtung.
Auffällig-expressiv
Die expressive Kleidung ist die Vorliebe der Kleiderfans. Ihre Selbstdarstellung soll sich von der breiten Masse abheben, sie spielen bewußt und individuell mit ihrer Kleidung und ihren Reizen. Auf gar keinen Fall wollen sie unauffällig sein. Jugendlich, modisch, sexy, gewagt, poppig und auffällig sind Schlagwörter für diesen „Look". Er äußert sich in bunten Haaren, bunten Garderoben, vielen glitzernden und auffälligen Accessoires, einer sexuellen Betonung und viel Make-up. Nina Hagen ist nur ein Beispiel für diesen Stil.