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Die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage", wie die Mormonen sich eigentlich nennen, wurde 1830 in den USA von dem Amerikaner Joseph Smith (1805-1844) gegründet. Dieser Mann behauptet, ihm sei ein Engel Namens "Moroni" erschienen und habe ihm beschriftete Goldplatten übergeben, die Jahrhunderte lang verborgen gewesen seien und aus der Zeit eines amerikanischen Ur-Propheten mit dem Namen „Mormon" stammten. Mit Hilfe einer magischen Brille habe Smith die altägyptischen Schriftzeichen der Platten lesen und verstehen können. Der Inhalt sei von ihm übersetzt und diktiert worden. Auf diese Weise entstand „Das Buch Mormon". Es stellt neben der Bibel die schriftliche Grundlage der Sekte dar. Die Goldplatten will Smith dem Engel zurückgegeben haben. Von ihnen fehlt heute jede Spur. Dadurch gibt es keine hinreichenden Beweise für Smiths Darlegungen.
Schon zu Lebzeiten war Smith umstritten. Man warf ihm unter anderem Betrug in geschäftlichen Angelegenheiten vor. Nachdem Smith in ein Gefängnis geworfen worden war, wurde er ein Opfer von Lynchjustiz. Sein Nachfolger Brigham Young (1801-1877) organisierte die berühmten Trecks in Richtung Westen. Nach unzähligen Strapazen fanden die Mormonen eine neue Heimat im Gebiet des „Großen Salzsees". Sie machten das Land urbar und gründeten die Stadt Salt Lake City. Erst 1896 wurde aus dem Gebiet der Bundesstaat Utah. Der Grund für diese späte Anerkennung liegt in der Tatsache, daß man in der Hauptstadt Washington die Polygamie der Mormonen ablehnte und zunächst das Einschwänken auf die Praxis der Monogamie durchsetzte.
Heute haben die Mormonen weltweit mehr als neun Millionen Mitglieder. Sie gehören zu denjenigen Religionsgemeinschaften, die am schnellsten wachsen. Salt Lake City ist nach wie vor das Zentrum der Bewegung. Dort befindet sich der wichtigste Tempel der Sekte. An der Spitze der Mormonen steht ein Präsident. Er wird vom „Rat der Zwölf Apostel" gewählt und gilt wie Joseph Smith als „Seher, Prophet und Offenbarer". Der Präsident kontrolliert ein finanzstarkes Imperium. Die jährlichen Einnahmen allein aus Mitgliedsbeiträgen werden auf ungefähr eine Milliarde Dollar geschätzt.
Die christlichen Kirchen grenzen sich von den Mormonen deutlich ab. Gemeinsamkeiten gibt es nicht. Das hat mehrere Gründe: Zum einen sehen sich die Anhänger des Joseph Smith als einzig wahre Kirche. Diese Haltung wird als überheblich empfunden. Zum anderen steht die herausragende Rolle des „Buches Mormon" im krassen Widerspruch zur christlichen Auffassung, nur die Bibel enthalte ein für allemal Gottes Wort.
Entscheidend sind die theologischen Unterschiede zwischen Mormonen und Christen. Joseph Smith lehrte, daß Gott einen „Körper aus Fleisch und Bein" habe und daher nur an einem Ort gleichzeitig sein könne. Die Mormonen glauben, Gott sei früher ein normaler Mensch gewesen, der sich gleichsam durch religiöse Studien hochgearbeitet habe. Heute residiere er auf einem Planeten Namens „Kolob". Die Menschen könnten sich ebenfalls vervollkommnen. Die allerhöchste Stufe, die „himmlische Herrlichkeit", sei allerdings nur den strenggläubigen Mormonen vorbehalten. Umstritten sind auch die Rituale der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage". Dazu gehören nicht nur geheime Belehrungen und Salbungen, sondern auch sogenannte „Totentaufen". Durch sie können Lebende stellvertretend für Verstorbene sozusagen nachträglich die Zugehörigkeit zur mormonischen Gemeinschaft erreichen.
In meiner Hausarbeit möchte ich, nachdem ich die Sekte etwas ausführlicher vorgestellt habe, eine historisch-kritische Exegese aus dem „Buch Mormon" einer historisch-kritischen Exegese aus der Johannesoffenbarung gegenüberstellen und die hermeneutischen Prinzipien vergleichen.
Die Hälfte der Mitglieder lebt in den USA. Vor dem 2. Weltkrieg gab es die meisten Bekehrungen in den USA, Großbritannien und Skandinavien. Der neuere Zuwachs an Mitgliedern, insbesondere in der dritten Welt, ist in erster Linie auf die Missionstätigkeit der Mormonen zurückzuführen, die mit einem Stab von rund 45 000 Personen weltweit in verschiedenen Städten ihre Lehre verkünden und um Mitglieder werben. Die Mormonen vertreten die Auffassung, daß das Christentum im Lauf der Zeit zu einer korrupten Gemeinschaft verkommen sei und das Evangelium neu verkündet werden müsse. Hierzu bedürfe es jedoch einer neuen göttlichen Offenbarung, welche die entscheidenden Inhalte in reiner Form enthülle und die verlorengegangene priesterliche Autorität der Apostel wiederherstelle.
Jetzt im Zustand der höchsten Entwicklung war Gott einst, was wir jetzt sind. Die Mormonen glauben an eine vorgeburtliche Existenz der menschlichen Seele. Der Vater Elohim zeugte Jehova als Christus und eine unendliche Fülle unvollkommener Geisteswesen, die in einem Erdenleib inkarniert werden müssen, um die Möglichkeit fortschreitender Entwicklung zur göttlichen Wesenheit zu gewinnen.
Grundsätzlich liegen dem mormonischen Lehrsystem zwei sich gegenseitig bedingende Glaubensprinzipien zugrunde und zwar „Wiederherstellung" und „neue Offenbarungen". Wiederherstellung bezieht sich auf den Auftrag, den Smith erhielt, die „ursprüngliche Kirche" mit all ihren „Verordnungen", Ämtern und Strukturen wiederherzustellen. Die „neuen Offenbarungen" wurden gebraucht, um dem Propheten eine Verfahrensweise zu billigen, mit der er die außerbiblischen Lehren plausibel machen konnte.
Mehrere Bezirke bilden einen „Pfahl Zions", die von drei Präsidenten sowie von einem zwölfköpfigen Hohen Rat geleitet werden. Verschiedene „Pfähle" schließen sich zu einer Region zusammen. Das eigentliche Führungsgremium besteht aus den obersten Präsidenten, Aposteln und Hohenpriestern, die ihre Funktion hauptamtlich ausüben. Da sie vor ihrer Wahl selbst als Laienmitglieder wirken, kann von einem professionellen Klerus oder einer offiziellen Kirchenverwaltung im eigentlichen Sinn jedoch nicht gesprochen werden. Obwohl die lokalen Gruppierungen dazu aufgerufen sind, ihre Ideen und Vorschläge mit einzubringen, liegt die Politik fest in den Händen der zentralen Organisation. Diese besteht aus drei Bischöfen sowie dem Ersten Quorum der Siebziger mit sieben Präsidenten.
Darüber stehen der Führungskörper, der Rat der Zwölf
Apostel, sowie der Präsident mit seinen Ratgebern, die regelmäßige
Zusammenkünfte untereinander oder mit den Aposteln abhalten. Letztere
bestimmen ihre Nachfolger selbst. Der Rangälteste Apostel übernimmt
nach dem Tod eines Präsidenten automatisch dessen Amt.
Ich habe mich für diesen Ausschnitt entschieden, da er über die Erscheinung des Nephi von dem Apostel Johannes handelt und über dessen Berufung. Ich möchte die Unterschiede zu unserer Hermeneutik noch in einem gesonderten Kapitel stärker herausarbeiten. Zunächst möchte ich jedoch den Text vorstellen:
18. Und es begab sich: Der Engel sprach zu mir, nämlich Schau!
19. Und ich schaute und sah einen Mann, der in ein weißes Gewand gekleidet war.
20. Und der Engel sprach zu mir: Sieh a einen der zwölf Apostel des Lammes.
21. Siehe, er wird sehen und niederschreiben, was davon noch übriggeblieben ist, ja, und auch vieles, was gewesen ist.
22. Und er wird auch über das Ende der Welt schreiben.
23. Darum ist das, was er schreiben wird, recht und wahr; und siehe, es steht in dem a Buch geschrieben, das du aus dem Mund des Juden hast kommen sehen; und zu der Zeit, da dies aus dem Mund des Juden kam, war das, was geschrieben war, klar und rein und höchst kostbar und für alle Menschen leicht zu verstehen.
24. Und siehe, unter dem, was dieser Apostel des Lammes schreiben wird, ist vieles, was du gesehen hast; und siehe, du sollst das übrige sehen.
25. Aber das, was du später noch sehen wirst, sollst du nicht niederschreiben; denn der Herr Gott hat den Apostel des Lammes ordiniert, daß er es niederschreibe.
26. Und auch anderen, die dazu ordiniert worden sind, hat er alles gezeigt; und a sie haben es niedergeschrieben; und es ist versiegelt, um für das Haus Israel zu der vom Herrn selbst bestimmten Zeit seiner Reinheit hervorzukommen, gemäß der Wahrheit, die im Lamme ist.
27. Und ich, Nephi, habe vernommen – und ich gebe Zeugnis davon -: Der Name des Apostels des Lammes ist a Johannes, gemäß dem Wort des Engels.
28. Und siehe, es ist mir, Nephi, verboten, den übrigen Teil von dem niederzuschreiben, was ich gesehen und gehört habe; darum genügt es mir, dies niedergeschrieben zu haben. Und ich habe nur einen kleinen Teil dessen geschrieben, was ich geschaut habe.
Die Platten Nephis sind in zwei Kategorien unterteilt: Die Kleinen Platten, zu denen auch der zu untersuchende Abschnitt zählt, war hauptsächlich religiösen Belangen sowie dem Wirken und den Lehren der Propheten gewidmet. Die zweite Kategorie bilden die Großen Platten, die zum größten Teil die weltliche Geschichte der Völker umfaßt. Die Platten Nephis sind ca. 600 v. Chr. entstanden und haben die Geschichte der Völker über mehrere Jahrhunderte durch „Propheten" festgehalten, bis sie 421 n. Chr. durch „Moroni" auf dem Hügel Cumorah begraben wurden. Es gibt allerdings keine Beweise, Schriften oder ähnliches, was dem Ur-Text nahekommt oder seine Existenz beweist.
Dennoch müssen mehrere Bearbeiter am Werk gewesen sein. Vers 18, 19 und 20 ist in Befehlsform gehalten und fängt immer mit dem Wort „und" an, wie alle außer 21, 23 und 25. Die Sätze sind kurz, klar und präzise gehalten im Gegensatz zu den anderen.
Vers 18 und 19 gehören zusammen, was auch durch den Wortfluß und den Aufbau aufeinander und durch die Bezugnahme auf das Verb deutlich wird. Vers 20 bezieht sich inhaltlich wieder auf Vers 18, den Engel. Auch greift Vers 21 das Verb sehen aus Vers 20 direkt am Anfang wieder auf, so daß auch hier noch keine unterschiedlichen Verfasser kenntlich gemacht werden können. Der Satzanfang von Vers 22 bezieht sich direkt auf das „und auch vieles" aus Vers 21.
Bei Vers 23 bin ich mir sicher, das ein weiterer Bearbeiter Textpassagen zugefügt hat, denn der Begriff „Juden" kam erst nach dem Babylonischen Exil (586-538 v. Chr.) auf. Wenn der Text aber selber vor 600 v. Chr. geschrieben sein soll, kannte man das Wort noch nicht. Außerdem ist dieser Satz lebhaft ausgeschmückt, im Gegensatz zu den vorhergehenden. Es herrscht eine verzweigte Satzstruktur, die im Gegensatz zu den klaren, einfachen Sätzen vorher steht. Unklar ist auch, was mit dem Buch gemeint ist. Es ist im ganzen Buch Mormon kein Aufschluß darüber zu bekommen.
In dem Vers 24 kommt viermal das Verb sehen vor. Dieser Vers ist stark an dem Vers 20 angelehnt, was durch die häufige Verwendung des Verbs und den Verweis auf den „Apostel des Lammes" deutlich wird.
Vers 25 knöpft an den vorangegangenen an. Wieder „Apostel des Lammes" und „niederschreiben" wie in Vers 21. Das Wort „ordinieren" kommt mir für die Entstehungszeit etwas jung vor, aber ich denke, das es ebenso wie in Vers 26 nachträglich eingefügt worden ist. Vers 26 und 23 müssen von demselben Verfasser sein, da auch hier wieder eine für den übrigen Text untypische Ausschmückung und Wortgewandtheit vorliegt. Die beiden letzten Verse bilden wieder eine Einheit. In beiden nennt sich der Verfasser selber, was er in dem gesamten vorhergehenden Text nicht getan hat. Die Bezeichnung „Apostel des Lammes" bekommen jetzt ihren Namen: Johannes. Vers 28 wiederholt den Auftrag nichts niederzuschreiben aus Vers 25 und rundet den Text mit den Worten „was ich geschaut habe" in Anlehnung an den ersten Vers ab.
Leider ist es mir aufgrund der fehlenden Textvergleiche auch nicht möglich, genaue Aussagen zu treffen. Ich vermute aber, das die Schriften selber später erst verfasst worden sind. Ich kann nicht aus theologischen, historischen, sprachlichen oder religionsgeschichtlichen Hintergründen eine Überlieferungsstufe feststellen.
Wie in den vorhergehenden Kritiken bereits kenntlich gemacht, spricht der Grundverfasser in einfachen, klaren Sätzen ohne Dramatik. In den Versen 23 und 26 finden wir eine recht lebhafte, ausschmückende Wortwahl und Satzstruktur.
Der Verfasser berichtet uns von seinem Erlebnis auf eine recht einfache Weise, so daß er es nicht für nötig hält zu übertreiben. Er bittet, klagt oder flucht nicht, sondern hält sich relativ neutral.
Ich würde diesen Text der Gattung „Erzählende Texte" zuordnen. Da der „Sitz im Leben" die soziologische Aufgabe der Formgeschichte ist, würde ich an dieser Stelle auf den Text selber verweisen. Hier wird deutlich, das es dem Verfasser eher auf die eigene Engelserscheinung ankommt als auf die Warnung oder die Beschreibung über das Ende der Welt.
Rein und unrein (Vers26) sind Begriffe, die Israel mit den meisten antiken Religionen teilt. In magischer Hinsicht bezeichnen sie alles, was mit heiligen oder gefährlichen Kräften geladen und deshalb zu meiden ist. In religiösem Sinn wird rituelle oder sittliche Unreinheit als Hindernis für die Annäherung der Gottheit aufgefaßt. Dabei ist oft noch ein magisches Verständnis mit im Spiel. Es besteht eine enge Beziehung zwischen Heiligkeit und Unreinheit: Wer unrein ist, dem wird kein Zugang zur Gottheit gestattet.
Die Sendschreiben an die sieben Gemeinden:
Die Beauftragung des Johannes: 1,9 – 20
9. Ich, euer Bruder Johannes, der wie ihr bedrängt ist, der mit euch an der Königsherrschaft teilhat und mit euch in Jesus standhaft ausharrt, ich war auf der Insel Patmos um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses für Jesus.
10. Am Tag des Herrn wurde ich vom Geist ergriffen und hörte hinter mir eine Posaune.
11. Sie sprach: Schreib das, was du siehst, in ein Buch, und schick es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus, nach Smyrna, nach Pergamon, nach Thyatira, nach Sardes, nach Philadelphia und nach Laodizea.
12. Da wandte ich mich um, weil ich sehen wollte, wer zu mir sprach. Als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter
13. und mitten unter den Leuchtern einen, der wie ein Mensch aussah; er war bekleidet mit einem Gewand, das bis auf die Füße reichte, und um die Brust trug er einen Gürtel aus Gold.
14. Sein Haupt und seine Haare waren weiß wie weiße Wolle, leuchtend weiß wie Schnee, und seine Augen wie Feuerflammen;
15. seine Beine glänzten wie Golderz, das im Schmelzofen glüht, und seine Stimme war wie das Rauschen von Wassermassen.
16. In seiner Rechten hielt er sieben Sterne, und aus seinem Mund kam ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Gesicht leuchtete wie die machtvoll strahlende Sonne.
17. Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen Füßen nieder. Er aber legte seine rechte Hand auf mich und sagte: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte
18. und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt.
19. Schreib auf, was du gesehen hast: was ist und was danach geschehen wird.
20. Der geheimnisvolle Sinn der sieben Sterne, die du auf meiner rechten Hand gesehen hast, und der sieben goldener Leuchter ist: Die sieben Sterne sind die Engel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter sind die sieben Gemeinden.
Die ältesten zusammenhängenden Kodices des Neuen Testamentes
stammen aus dem 4. Jahrhundert. Bis ins 15. Jahrhundert entstand eine Fülle
von Handschriften, erst 1516 wurde das erste Neue Testament gedruckt. In
dieser Fülle habe ich mich noch für eine zusätzliche Übersetzung
entschieden: von Heinz Giesen. Sie lautet:
Beauftragungsvision 1,9 – 20
9. Ich, Johannes, euer Bruder und Teilhaber an der Bedrängnis und am königlichen Volk und an der Standhaftigkeit in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen. 10. Und ich war im Geist am Herrentag und hörte hinter mir eine mächtige Stimme wie die einer Posaune, 11. Die sagte: Was du siehst, schreib in ein Buch nieder und schicke es den sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea: 12. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter 13. Und mitten unter den Leuchtern einen gleich einem Menschensohn, bekleidet mit einem fußlangen Gewand um umgürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel. 14. Sein Kopf aber, d. h. seine Haare (waren) weiß wie weiße Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme 15. Und seine Füße gleich wohlriechender Bronze (?) wie in einem glühenden Ofen, und seine Stimme wie das Rauschen gewaltiger Wasser. 16. Und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne, und aus seinem Mund kam ein zweischneidiges Schwert hervor, und sein Gesicht (leuchtete) wie die Sonne in ihrer Kraft. 17. Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot. Und er legte seine Rechte auf mich und sagte: Fürchte dich nicht mehr! Ich bin der Erste und der Letzte 18. Und der Lebendige. Und ich war tot und siehe, ich bin lebendig in alle Ewigkeiten. Und ich habe den Schlüssel zum Tod und zum Hades. 19. Schreib also nieder, was du gesehen hast, auch was es bedeutet und was danach geschehen wird. 20. Das Geheimnis der sieben Sterne, die du in meiner Rechten gesehen hast, und der sieben goldenen Leuchter (ist): Die sieben Sterne sind die Engel der sieben Gemeinden und die sieben Leuchter sind die sieben Gemeinden.
Die Redaktionskritik versucht, das Wachstum eines Textes von der ersten schriftlichen Fassung bis zu seiner Endgestalt zu rekonstruieren. In unserem Fall ist kein Wachstum zu erkennen.
Bei der Frage nach der literarischen Gattung stehen wir vor einem Problem. Die Apokalypse gehört sachlich in die Nähe der jüdischen Apokalypse, trotzdem gibt es Unterschiede. Der wichtigste ist das die Apokalypse nicht pseudepigraphisch entworfen ist, sie führt sich nicht auf eine Gestalt ferner Vergangenheit zurück und enthält auch keine „Weissagungen" der „künftigen" Geschichte. Durch 1, 1-3 ist die Apokalypse als Mitteilung übernatürlicher Offenbarung gekennzeichnet. 1, 4-8 lassen das Buch als einen Brief erscheinen, der mit dem Bericht einer beglaubigten Vision auf Patmos beginnt; die Sendschreiben sind „Briefe im Brief". Da der Erzähler teilweise selbst in den Bericht einbezogen ist (ich), erweist sich die Offenbarung des Johannes als ein breit angelegter Visionsbericht, der die Ereignisse der nahen Endzeit schildert. Terminbestimmungen fehlen; die Gewißheit, daß sich die Geschehnisse wie angekündigt ereignen werden, resultiert daraus, das er sie ja gesehen hat. Damit ist die Offenbarung keine literarische Apokalypse wie Daniel. Aber sie ist auch nicht ein Brief, sondern ein Visionsbericht, der sich teilweise der Briefform bedient.
Nach frühkirchlicher Überlieferung wurde die Apokalypse gegen Ende der Regierungszeit Domitians geschrieben. Diese Datierung wird auch heute meistens vertreten. Das Entstehungsgebiet und –milieu ist das westliche Kleinasien. Der harte Kaiserkult verlangte das Opfer vor dem Kaiserbild und die Verfluchung Jesu Christi.
Ebenfalls möchte ich die Posaune erläutern. Nach alt-jüdischer Tradition markiert der Posaunenschall unter anderem die entscheidende Wende. So kündigt er eine Gotteserscheinung an, aber auch den nahen Gerichtstag Jahwes (Joel 2, 1) oder die eschatologische Wende überhaupt (4 Esr 6, 23) oder auch das Kommen des Messias, der die Gottlosen verbrennt. Nach dem NT kündigen Engel mit Posaunenschall die Nähe der Parusie Christi oder der Auferstehung der Toten an (z. B. Mt 24, 3).
Die sieben Sterne in der rechten Hand des Menschensohns sind Sinnbilder der Engel der Gemeinden, an die sich der Verfasser jeweils richtet. Johannes von Patmos wird nicht berufen sondern erhält den Auftrag, das Buch zu schreiben.
Der Seher bekommt keine Privatoffenbarung; seine Vision ist vielmehr bestimmt für die Gemeinden in Kleinasien und darüber hinaus für die ganze Kirche. Aus der Eingangsvision erfahren wir deshalb nicht nur, daß das ganze Geschaute niederzuschreiben ist, sondern auch, warum das geschehen soll. Die Gemeinden sollen wissen, daß Christus als ihr Herr aufgrund seiner gottgleichen Stellung bevollmächtigt und willens ist, für sie einzutreten. Als Richter reinigt er sie von den Häretikern und schlägt die gottfeindlichen Völker (Vers 16); als Herr über den Tod und Hades führt er die getreuen Christen zum unverlierbaren Heil (Vers 18). Dieses christliche Grundwissen ist in den Gemeinden offenbar teilweise verlorengegangen, oder es bestimmt nicht mehr den Alltag. Deshalb wird es hier mit Nachdruck eingeschärft. Es geht darum, die Christen zu ermuntern, ihren Glauben in schwieriger Zeit zu leben.
Das Problem der Existentialen Auslegung besteht leider darin, das Innere des zu untersuchenden Textes auf den Leser zu vergessen. Das bedeutet rückschließend, wir müssen in diesem Kapitel das Augenmerk auf die Leser und deren Verständnis richten. Die Mormonen beziehen die Bibel und Das Buch Mormon wörtlich auf ihre momentane Situation. Sie überlegen nicht, was könnte der Text zu der damaligen Zeit bedeutet haben, sondern sie interpretieren nach ihrem eigenen jetzigen Verständnis. Aus diesem Grunde habe ich die Mormonen zu Beginn der Arbeit kurz erläutert, damit wir jetzt hypothetische Thesen über ihr Verständnis aufstellen können. Wenn wir uns den Text vor Augen führen, entstehen automatisch Bilder. Wir müssen also davon ausgehen, daß es den Mormonen ebenso geht. Natürlich sind die Thesen auch durch meine eigene Erfahrungswelt belastet. Fragen wir uns also zuerst, wie könnte der Text 1. Nephi 14, 18-28 auf die Mormonen wirken?
Ein Engel erscheint Nephi und erwartet Aufmerksamkeit. Ich (Nephi) sehe einen Mann in einem weißen Gewand. Als erstes stellen sich die Leser dieses Textes nun Jesus vor, werden aber sofort aufgeklärt, daß es sich um einen Apostel handelt. Apostel mag gleichzustellen sein mit der Wertung „wichtig". Das „Ende der Welt" kann aufgrund der fanatistischen Tendenz der Mormonen zu einer gewissen Hysterie führen. Das Wissen, daß vor Johannes selbst Gott Nephi gezeigt hat, was Johannes später in seiner Offenbarung schreibt, verstärkt das egoistische Denken der Anhänger. Die folgenden Sätze sind für das Seelenleben eines Mormonen wohl eher unwichtig. Das Ende des Abschnittes hingegen wird Neugier erwecken. Was hat Nephi gesehen? Da die Mormonen ihren Präsidenten ebenfalls als einen Prophet autorisieren, hat er nun die Möglichkeit, seine Anhänger zu belehren. In welcher Art und Weise er das macht, bleibt unbekannt. Stellen wir uns also vor, ein Mormone liest aus der Offenbarung des Johannes:
Zeile 1, 9 versetzt ihn in das Denken, auch Johannes harre mit ihnen gemeinsam in ihrer jetzigen Außenseitersituation. Die Passage „um des Wortes Gottes Willen" bestärkt die Annahme, man müsse die Bibel wörtlich nehmen. Am Tag des Herrn muß für sie nicht Sonntag bedeuten, sondern eher den Tag der Epiphanie. Die Zeilen 13 bis 16 werden wieder ein geistiges Bild im Kopf der Mormonen zur Folge haben. Zeile 18 hebt die Autorität Jesus auf ihren Glauben betreffend. In den nun folgenden Abschnitten der Offenbarung können sie mit ihrem hermeneutischen Verständnis lesen, was ihr Prophet Nephi bereits gesehen hat.
Wie wir Christen mit solchen Texten umgehen habe ich in dieser Arbeit bereits dargelegt. Unser hermeneutisches Verstehen ist durchaus abstrakter und kritischer, da wir uns von einem forschungsreichen Standpunkt aus auf das Wort Gottes einlassen.