Mormonen

Inhaltsangabe

1. Einleitung
2. Mormonen
3. Untersuchungen zum Weltbild der Mormonen
4. Vergleich mit einer historisch-kritischen Auslegung der Offenbarung
5. Vergleich der hermeneutischen Prinzipien
6. Schlußbemerkung und Fazit
7. Literaturverzeichnis

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1. Einleitung

Niemand im US-Bundesstaat Utah käme auf die Idee, die Mormonen als Sekte zu bezeichnen. Denn dort sind sie die Regel. Alle anderen Religionsgemeinschaften sind die Ausnahme.

Die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage", wie die Mormonen sich eigentlich nennen, wurde 1830 in den USA von dem Amerikaner Joseph Smith (1805-1844) gegründet. Dieser Mann behauptet, ihm sei ein Engel Namens "Moroni" erschienen und habe ihm beschriftete Goldplatten übergeben, die Jahrhunderte lang verborgen gewesen seien und aus der Zeit eines amerikanischen Ur-Propheten mit dem Namen „Mormon" stammten. Mit Hilfe einer magischen Brille habe Smith die altägyptischen Schriftzeichen der Platten lesen und verstehen können. Der Inhalt sei von ihm übersetzt und diktiert worden. Auf diese Weise entstand „Das Buch Mormon". Es stellt neben der Bibel die schriftliche Grundlage der Sekte dar. Die Goldplatten will Smith dem Engel zurückgegeben haben. Von ihnen fehlt heute jede Spur. Dadurch gibt es keine hinreichenden Beweise für Smiths Darlegungen.

Schon zu Lebzeiten war Smith umstritten. Man warf ihm unter anderem Betrug in geschäftlichen Angelegenheiten vor. Nachdem Smith in ein Gefängnis geworfen worden war, wurde er ein Opfer von Lynchjustiz. Sein Nachfolger Brigham Young (1801-1877) organisierte die berühmten Trecks in Richtung Westen. Nach unzähligen Strapazen fanden die Mormonen eine neue Heimat im Gebiet des „Großen Salzsees". Sie machten das Land urbar und gründeten die Stadt Salt Lake City. Erst 1896 wurde aus dem Gebiet der Bundesstaat Utah. Der Grund für diese späte Anerkennung liegt in der Tatsache, daß man in der Hauptstadt Washington die Polygamie der Mormonen ablehnte und zunächst das Einschwänken auf die Praxis der Monogamie durchsetzte.

Heute haben die Mormonen weltweit mehr als neun Millionen Mitglieder. Sie gehören zu denjenigen Religionsgemeinschaften, die am schnellsten wachsen. Salt Lake City ist nach wie vor das Zentrum der Bewegung. Dort befindet sich der wichtigste Tempel der Sekte. An der Spitze der Mormonen steht ein Präsident. Er wird vom „Rat der Zwölf Apostel" gewählt und gilt wie Joseph Smith als „Seher, Prophet und Offenbarer". Der Präsident kontrolliert ein finanzstarkes Imperium. Die jährlichen Einnahmen allein aus Mitgliedsbeiträgen werden auf ungefähr eine Milliarde Dollar geschätzt.

Die christlichen Kirchen grenzen sich von den Mormonen deutlich ab. Gemeinsamkeiten gibt es nicht. Das hat mehrere Gründe: Zum einen sehen sich die Anhänger des Joseph Smith als einzig wahre Kirche. Diese Haltung wird als überheblich empfunden. Zum anderen steht die herausragende Rolle des „Buches Mormon" im krassen Widerspruch zur christlichen Auffassung, nur die Bibel enthalte ein für allemal Gottes Wort.

Entscheidend sind die theologischen Unterschiede zwischen Mormonen und Christen. Joseph Smith lehrte, daß Gott einen „Körper aus Fleisch und Bein" habe und daher nur an einem Ort gleichzeitig sein könne. Die Mormonen glauben, Gott sei früher ein normaler Mensch gewesen, der sich gleichsam durch religiöse Studien hochgearbeitet habe. Heute residiere er auf einem Planeten Namens „Kolob". Die Menschen könnten sich ebenfalls vervollkommnen. Die allerhöchste Stufe, die „himmlische Herrlichkeit", sei allerdings nur den strenggläubigen Mormonen vorbehalten. Umstritten sind auch die Rituale der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage". Dazu gehören nicht nur geheime Belehrungen und Salbungen, sondern auch sogenannte „Totentaufen". Durch sie können Lebende stellvertretend für Verstorbene sozusagen nachträglich die Zugehörigkeit zur mormonischen Gemeinschaft erreichen.

In meiner Hausarbeit möchte ich, nachdem ich die Sekte etwas ausführlicher vorgestellt habe, eine historisch-kritische Exegese aus dem „Buch Mormon" einer historisch-kritischen Exegese aus der Johannesoffenbarung gegenüberstellen und die hermeneutischen Prinzipien vergleichen.

2. Mormonen

Charakteristika

Die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" zählt für die katholische Kirche zu der Gruppe der eschatologischen Sekten. Diese Gruppe verbindet enthusiastisch-chiliastische Vorstellungen und ist besonders aggressiv.

Die Hälfte der Mitglieder lebt in den USA. Vor dem 2. Weltkrieg gab es die meisten Bekehrungen in den USA, Großbritannien und Skandinavien. Der neuere Zuwachs an Mitgliedern, insbesondere in der dritten Welt, ist in erster Linie auf die Missionstätigkeit der Mormonen zurückzuführen, die mit einem Stab von rund 45 000 Personen weltweit in verschiedenen Städten ihre Lehre verkünden und um Mitglieder werben. Die Mormonen vertreten die Auffassung, daß das Christentum im Lauf der Zeit zu einer korrupten Gemeinschaft verkommen sei und das Evangelium neu verkündet werden müsse. Hierzu bedürfe es jedoch einer neuen göttlichen Offenbarung, welche die entscheidenden Inhalte in reiner Form enthülle und die verlorengegangene priesterliche Autorität der Apostel wiederherstelle.

Lehre

Lehrgrundlage bilden die 13 Glaubensartikel des J. Smith von 1841. Zwar gilt die Bibel als Wort Gottes, da die göttliche Offenbarung aber weiter andauert, haben auch das „Buch Mormon" und die von Joseph Smith verfaßten Schriften „Lehre und Bündnisse" sowie „Köstliche Perle" (1842) kanonische Geltung und das Wort des Präsidenten maßgebliche Bedeutung. Daher weicht die Lehre der Mormonen in wesentlichen Punkten von der christlichen ab. Ihr Gottesbegriff ist anthromorph und tritheistisch. Den dreieinigen Gott definieren sie als drei voneinander getrennte Individuen, wobei sie Gott Vater und Jesus Christus als Personen mit physischer Gestalt und einer gemeinsamen Absicht begreifen. Daraus wird natürlich auch die potentielle Wesensgleichheit von Gott und Mensch abgeleitet.

Jetzt im Zustand der höchsten Entwicklung war Gott einst, was wir jetzt sind. Die Mormonen glauben an eine vorgeburtliche Existenz der menschlichen Seele. Der Vater Elohim zeugte Jehova als Christus und eine unendliche Fülle unvollkommener Geisteswesen, die in einem Erdenleib inkarniert werden müssen, um die Möglichkeit fortschreitender Entwicklung zur göttlichen Wesenheit zu gewinnen.

Grundsätzlich liegen dem mormonischen Lehrsystem zwei sich gegenseitig bedingende Glaubensprinzipien zugrunde und zwar „Wiederherstellung" und „neue Offenbarungen". Wiederherstellung bezieht sich auf den Auftrag, den Smith erhielt, die „ursprüngliche Kirche" mit all ihren „Verordnungen", Ämtern und Strukturen wiederherzustellen. Die „neuen Offenbarungen" wurden gebraucht, um dem Propheten eine Verfahrensweise zu billigen, mit der er die außerbiblischen Lehren plausibel machen konnte.

Aufbau/Organisation

Die Kirche der Mormonen besitzt eine auf der Mitarbeit von Laien beruhende, hierarchische Struktur. Diese bekleiden nach dem Rotationsprinzip Ämter in den verschiedenen Kongregationen (Bezirken), denen für je fünf Jahre ein Bischof mit zwei Beratern vorsteht. Da in jedem Bezirk ungefähr 200 Ämter zu vergeben sind, sind die Mormonen aktiv am Gemeindeleben beteiligt. Viele Mitglieder unterrichten, predigen, übernehmen humanitäre und soziale Aufgaben oder gehören Ausschüssen an.

Mehrere Bezirke bilden einen „Pfahl Zions", die von drei Präsidenten sowie von einem zwölfköpfigen Hohen Rat geleitet werden. Verschiedene „Pfähle" schließen sich zu einer Region zusammen. Das eigentliche Führungsgremium besteht aus den obersten Präsidenten, Aposteln und Hohenpriestern, die ihre Funktion hauptamtlich ausüben. Da sie vor ihrer Wahl selbst als Laienmitglieder wirken, kann von einem professionellen Klerus oder einer offiziellen Kirchenverwaltung im eigentlichen Sinn jedoch nicht gesprochen werden. Obwohl die lokalen Gruppierungen dazu aufgerufen sind, ihre Ideen und Vorschläge mit einzubringen, liegt die Politik fest in den Händen der zentralen Organisation. Diese besteht aus drei Bischöfen sowie dem Ersten Quorum der Siebziger mit sieben Präsidenten.

Darüber stehen der Führungskörper, der Rat der Zwölf Apostel, sowie der Präsident mit seinen Ratgebern, die regelmäßige Zusammenkünfte untereinander oder mit den Aposteln abhalten. Letztere bestimmen ihre Nachfolger selbst. Der Rangälteste Apostel übernimmt nach dem Tod eines Präsidenten automatisch dessen Amt.
 

Das „Buch Mormon"

Das „Buch Mormon" erzählt die frei erfundene Geschichte von den „Ureinwohnern Amerikas", die aus dem Vorderen Orient in die Neue Welt gekommen sein sollen. So habe ein Jerusalemer Bürger Namens „Lehi" um 600 v. Chr. Von Gott die Anweisung erhalten, mit seiner Familie in die Wüste zu fliehen, um der drohenden Zerstörung Jerusalems zu entgehen. Er gelangt an die Gestade des Roten Meeres, baut ein Schiff und segelt nach Osten (!) davon, bis er an der Westküste des amerikanischen Kontinents landet. Dort werden seine beiden Söhne, „Nephi" und „Laman", zu Stammvätern von zwei gegensätzlichen Völkern: Die „Nephiten" sind gottesfürchtig und bleiben hellhäutig, die „Lamaniten" fallen vom Glauben ab und bekommen von Gott zur Strafe eine dunklere Hautfarbe, was heute noch an ihren Nachfahren, den Indianern bzw. Indios, zu erkennen sei. „Propheten" schrieben über Jahrhunderte die Geschichte dieser Völker auf, die „Mormon" schließlich auf „goldene Platten" übertrug und diese während der letzten großen Schlacht zwischen „Nephiten" und „Lamaniten" 421 n. Chr. Seinem Sohn „Moroni" aushändigte, der sie auf dem Hügel Cumorah vergrub.

3. Untersuchungen zum Weltbild der Mormonen

Um dem Weltbild der Mormonen näher zu kommen, möchte ich eine historisch-kritische Exegese von 1.Nephi 14; 18-28 anfertigen, um sie dann einer Exegese der Johannes Offenbarung gegenüberzustellen.

Ich habe mich für diesen Ausschnitt entschieden, da er über die Erscheinung des Nephi von dem Apostel Johannes handelt und über dessen Berufung. Ich möchte die Unterschiede zu unserer Hermeneutik noch in einem gesonderten Kapitel stärker herausarbeiten. Zunächst möchte ich jedoch den Text vorstellen:

18.    Und es begab sich: Der Engel sprach zu mir, nämlich Schau!

19.    Und ich schaute und sah einen Mann, der in ein weißes Gewand gekleidet war.

20.    Und der Engel sprach zu mir: Sieh a einen der zwölf Apostel des Lammes.

21.    Siehe, er wird sehen und niederschreiben, was davon noch übriggeblieben ist, ja, und auch vieles, was gewesen ist.

22.    Und er wird auch über das Ende der Welt schreiben.

23.    Darum ist das, was er schreiben wird, recht und wahr; und siehe, es steht in dem a Buch geschrieben, das du aus dem Mund des Juden hast kommen sehen; und zu der Zeit, da dies aus dem Mund des Juden kam, war das, was geschrieben war, klar und rein und höchst kostbar und für alle Menschen leicht zu verstehen.

24.    Und siehe, unter dem, was dieser Apostel des Lammes schreiben wird, ist vieles, was du gesehen hast; und siehe, du sollst das übrige sehen.

25.    Aber das, was du später noch sehen wirst, sollst du nicht niederschreiben; denn der Herr Gott hat den Apostel des Lammes ordiniert, daß er es niederschreibe.

26.    Und auch anderen, die dazu ordiniert worden sind, hat er alles gezeigt; und a sie haben es niedergeschrieben; und es ist versiegelt, um für das Haus Israel zu der vom Herrn selbst bestimmten Zeit seiner Reinheit hervorzukommen, gemäß der Wahrheit, die im Lamme ist.

27.    Und ich, Nephi, habe vernommen – und ich gebe Zeugnis davon -: Der Name des Apostels des Lammes ist a Johannes, gemäß dem Wort des Engels.

28.    Und siehe, es ist mir, Nephi, verboten, den übrigen Teil von dem niederzuschreiben, was ich gesehen und gehört habe; darum genügt es mir, dies niedergeschrieben zu haben. Und ich habe nur einen kleinen Teil dessen geschrieben, was ich geschaut habe.

Textkritik

Nach meinem Kenntnisstand läßt sich keine weitere Fassung feststellen, da, wie in der Einleitung beschrieben, Joseph Smith das „Buch Mormon" selbst übersetzt (mit Hilfe einer magischen Brille) und geschrieben hat.

Die Platten Nephis sind in zwei Kategorien unterteilt: Die Kleinen Platten, zu denen auch der zu untersuchende Abschnitt zählt, war hauptsächlich religiösen Belangen sowie dem Wirken und den Lehren der Propheten gewidmet. Die zweite Kategorie bilden die Großen Platten, die zum größten Teil die weltliche Geschichte der Völker umfaßt. Die Platten Nephis sind ca. 600 v. Chr. entstanden und haben die Geschichte der Völker über mehrere Jahrhunderte durch „Propheten" festgehalten, bis sie 421 n. Chr. durch „Moroni" auf dem Hügel Cumorah begraben wurden. Es gibt allerdings keine Beweise, Schriften oder ähnliches, was dem Ur-Text nahekommt oder seine Existenz beweist.

Entstehungsgeschichte des Textes

a. Literarkritik

Dieser Textauszug steht im Kontext, was durch den Befehl des Engels „Schau!" in Vers 18 durch den Satzteil in Vers 28 „... was ich geschaut habe" abgerundet wird. Im Text 1. Nephi 14 selber ist keine Abgrenzung oder Unterteilung zu dem gewählten Ausschnitt kenntlich gemacht.

Dennoch müssen mehrere Bearbeiter am Werk gewesen sein. Vers 18, 19 und 20 ist in Befehlsform gehalten und fängt immer mit dem Wort „und" an, wie alle außer 21, 23 und 25. Die Sätze sind kurz, klar und präzise gehalten im Gegensatz zu den anderen.

Vers 18 und 19 gehören zusammen, was auch durch den Wortfluß und den Aufbau aufeinander und durch die Bezugnahme auf das Verb deutlich wird. Vers 20 bezieht sich inhaltlich wieder auf Vers 18, den Engel. Auch greift Vers 21 das Verb sehen aus Vers 20 direkt am Anfang wieder auf, so daß auch hier noch keine unterschiedlichen Verfasser kenntlich gemacht werden können. Der Satzanfang von Vers 22 bezieht sich direkt auf das „und auch vieles" aus Vers 21.

Bei Vers 23 bin ich mir sicher, das ein weiterer Bearbeiter Textpassagen zugefügt hat, denn der Begriff „Juden" kam erst nach dem Babylonischen Exil (586-538 v. Chr.) auf. Wenn der Text aber selber vor 600 v. Chr. geschrieben sein soll, kannte man das Wort noch nicht. Außerdem ist dieser Satz lebhaft ausgeschmückt, im Gegensatz zu den vorhergehenden. Es herrscht eine verzweigte Satzstruktur, die im Gegensatz zu den klaren, einfachen Sätzen vorher steht. Unklar ist auch, was mit dem Buch gemeint ist. Es ist im ganzen Buch Mormon kein Aufschluß darüber zu bekommen.

In dem Vers 24 kommt viermal das Verb sehen vor. Dieser Vers ist stark an dem Vers 20 angelehnt, was durch die häufige Verwendung des Verbs und den Verweis auf den „Apostel des Lammes" deutlich wird.

Vers 25 knöpft an den vorangegangenen an. Wieder „Apostel des Lammes" und „niederschreiben" wie in Vers 21. Das Wort „ordinieren" kommt mir für die Entstehungszeit etwas jung vor, aber ich denke, das es ebenso wie in Vers 26 nachträglich eingefügt worden ist. Vers 26 und 23 müssen von demselben Verfasser sein, da auch hier wieder eine für den übrigen Text untypische Ausschmückung und Wortgewandtheit vorliegt. Die beiden letzten Verse bilden wieder eine Einheit. In beiden nennt sich der Verfasser selber, was er in dem gesamten vorhergehenden Text nicht getan hat. Die Bezeichnung „Apostel des Lammes" bekommen jetzt ihren Namen: Johannes. Vers 28 wiederholt den Auftrag nichts niederzuschreiben aus Vers 25 und rundet den Text mit den Worten „was ich geschaut habe" in Anlehnung an den ersten Vers ab.

b. Überlieferungskritik

Durch die Kenntnisse, die ich in a schon vorgestellt habe, gehe ich davon aus, das es eine mündliche Vorgeschichte geben muß. Wie bereits erwähnt, lassen mich die Wörter „Juden" und „ordinieren" darauf schließen.

Leider ist es mir aufgrund der fehlenden Textvergleiche auch nicht möglich, genaue Aussagen zu treffen. Ich vermute aber, das die Schriften selber später erst verfasst worden sind. Ich kann nicht aus theologischen, historischen, sprachlichen oder religionsgeschichtlichen Hintergründen eine Überlieferungsstufe feststellen.

c. Redaktionskritik

Auch hier kann ich keine genauen Aussagen machen, da (wie schon erwähnt) auch hier Aufzeichnungen fehlen. Ich kann nur sagen, das der Text zwischen 600 v. Chr. und vor ca. 180 n. Chr. verfasst worden sein muß, weil erst ab dann sich der Begriff „Apostel" auf die zwölf bezieht und nicht mehr auf die „Pseudoapostel". Nach den ältesten neutestamentlichen Zeugnissen, nach den Briefen des Apostels Paulus muß ein Apostel erstens Zeuge des Auferstandenen und zweitens vom Herrn zur missionarischen Verkündigung beauftragt sein.

Formales und inhaltliches Vorgaben-Repertoire des Textes

a. Form- und Gattungskritik

Wie bereits erwähnt fordert der Engel ihn (mich, Nephi) in der Einleitung auf, schau! Der Schluß rundet das ganze durch Aufnahme dieser Passage ab. Die Überleitungsartikel bestehen fast immer aus „und" + Verb oder Subjekt, ohne Zeitangaben wie dann, danach oder jetzt. Der ganze Text ist ein Bericht über das eigene Erlebnis des Nephi. Er gibt Zeugnis über das, was der Engel ihm gesagt hat.

Wie in den vorhergehenden Kritiken bereits kenntlich gemacht, spricht der Grundverfasser in einfachen, klaren Sätzen ohne Dramatik. In den Versen 23 und 26 finden wir eine recht lebhafte, ausschmückende Wortwahl und Satzstruktur.

Der Verfasser berichtet uns von seinem Erlebnis auf eine recht einfache Weise, so daß er es nicht für nötig hält zu übertreiben. Er bittet, klagt oder flucht nicht, sondern hält sich relativ neutral.

Ich würde diesen Text der Gattung „Erzählende Texte" zuordnen. Da der „Sitz im Leben" die soziologische Aufgabe der Formgeschichte ist, würde ich an dieser Stelle auf den Text selber verweisen. Hier wird deutlich, das es dem Verfasser eher auf die eigene Engelserscheinung ankommt als auf die Warnung oder die Beschreibung über das Ende der Welt.

b. Traditionskritik

Als wichtige Anhaltspunkte dieser Aufgabe halte ich die Textphrasen „Ende der Welt" (22) und „für alle Menschen leicht zu verstehen" (23). In der Vorstellung der Verfasser muß also das Weltende schon vorstellbar gewesen sein. Ebenso muß das Volk eher einfach gestrickt sein, sonst hätte der Autor diesen Zusatz weglassen können. Auch solche Sinnbilder wie „Haus Israel", „Reinheit" und „Wahrheit" müssen in der Gedankenwelt der Verfasser zum Abfassungszeitpunkt mit Vorstellungen gefüllt gewesen sein.

Bestimmung des historischen Ortes

Hier geht es mir darum, den Text historisch einzuordnen und den Verfasser zu bestimmen. Das gestaltet sich hier sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, so daß meine Ausführungen nur hypothetisch sind. Wie bereits herausgearbeitet, spricht der Autor von Juden, die erst nach dem Babylonischen Exil ihren Namen bekommen haben. Das bedeutet, das mindestens ein Autor nach 538 v. Chr. den Text bearbeitet haben muß. Über die Identität des Nephi ist keinerlei Beweis oder Erwähnung vorhanden. Auch wird in dem Text kein Ort oder ähnliches genannt, so daß keinerlei Aufschluß über den Verfassungsort zu bekommen ist. Wir können nur aufgrund der Redewendung „Haus Israel" (Vers 26) davon ausgehen, daß der Text irgendwo in der Nähe verfasst wurde. Apostel des Lammes ist mit den Ausdrücken der Offenbarung zu vergleichen, bringt aber keinen neuen zeitlichen Aspekt in die Frage, da dieses Erlebnis eine Erscheinung vor der Niederschrift des Johannes bildet.

Klärung von Einzelaspekten

Begriffe

In diesem Abschnitt kann es nicht um eine ausgeführte Begriffsexegese gehen. Deshalb greife ich nur einige wenige besonders bedeutsame oder schwierige Begriffe heraus. Mein erstes Augenmerk möchte ich auf das Verb „Sehen" richten. Es spielt in der Bibel eine geringere Rolle als das Hören, da die Offenbarung vor allem an das Wort gebunden ist. Da die eschatologischen Dinge und Ereignisse „sich enthüllen" oder „erscheinen" (wie auch der Engel), ist das Sehen vielfach Ausdruck für das Erleben des eschatologisch-kosmischen Geschehens. Teilweise ist es nur den Erwählten vorbehalten und betrifft letztlich die Anschauung Gottes.

Rein und unrein (Vers26) sind Begriffe, die Israel mit den meisten antiken Religionen teilt. In magischer Hinsicht bezeichnen sie alles, was mit heiligen oder gefährlichen Kräften geladen und deshalb zu meiden ist. In religiösem Sinn wird rituelle oder sittliche Unreinheit als Hindernis für die Annäherung der Gottheit aufgefaßt. Dabei ist oft noch ein magisches Verständnis mit im Spiel. Es besteht eine enge Beziehung zwischen Heiligkeit und Unreinheit: Wer unrein ist, dem wird kein Zugang zur Gottheit gestattet.

Sachfragen

An dieser Stelle sollten Personen, Orte und Namen (etc.) zum besseren Verständnis des Textes geklärt werden. Leider kann ich an dieser Stelle meinen vorangegangenen Ausführungen keine neuen Erkenntnisse beifügen, da ungeklärte Namen wie Nephi oder der Hügel Cumorah nicht zu identifizieren sind. Die einzige Quelle für den Beweis des Nephi bildet das Buch Mormon. Die berichtet, daß 421 n. Chr. Moroni, der letzte nephitische Prophet und Geschichtsschreiber den heiligen Bericht versiegelte und ihn für den Herrn verbarg (!), damit er in den letzten Tagen hervorgebracht werde, wie Gott es durch seine früheren Propheten hatte vorhersagen lassen. Im Jahre 1823 besuchte derselbe Moroni als auferstandenes Wesen Joseph Smith und übergab ihm die gravierten Platten.

Historische Sinnbestimmung

Bestimmung der grundlegenden inhaltlichen Aussagen

Zusammenfassend ist der Text so darzustellen: Ein Engel erscheint Nephi und zeigt ihm einen Mann in einem weißen Gewand. Dieser Mann (Apostel des Lammes) wird über das Ende der Welt schreiben. Er, Nephi wird alles und noch mehr sehen, was der Jude niederschreibt, soll es aber auf keinen Fall aufschreiben. Der Prophet Nephi gibt uns also nur Zeugnis, daß ihm ein Engel erschienen ist und von der Arbeit eines Johannes berichten soll. Wenn wir davon ausgehen, das dieses Buch auf jeden Fall vor Christi geschrieben wurde, weiß der damalige Leser noch nichts von der Offenbarung des Johannes. Es geht aber schon um das Ende der Welt, obwohl Jesus noch gar nicht geboren war. Dieser Abschnitt beendet die Visionen des Nephi, die er in der Wüste drei Tage von Jerusalem hatte. Der Herr hat ihm den Rat gegeben, in die Wildnis zu gehen, da er Visionen von der Schlechtigkeit des Volkes haben wird und sie ihm deswegen nach dem Leben trachten werden. In Kapitel 15 kehrt Nephi mit seinen Brüdern nach Jerusalem zurück um die Aufzeichnungen der Juden zu holen.

Bestimmung der Intention des Textes zur Zeit seiner Entstehung

Wenn wir davon ausgehen, das der Text um die Zeit des Babylonischen Exils entstanden ist, wo Israel sich mit der faszinierenden und zugleich bedrohlichen Macht der Babylonischen Götter auseinandersetzen mußte, greifen viele Schriften in die Auseinandersetzung ein. Wir müssen uns also vorstellen, daß der Verfasser Nephi bereits den Untergang durch die anderen Götter in seiner Vision bereits gesehen hat. Meiner Meinung nach soll auch diese Stelle als Warnung vor falschen Gottheiten dienen. Nachdem die wesentlichen Aspekte des Textes herausgearbeitet sind, können wenige Hinweise zur Intention genügen. Der Text will bezeugen, das Johannes die Offenbarung als Warnung vor der Blasphemie schreiben wird und die Menschen, die damals mit Nephi lebten, diese Zeit überstehen müssen.

4. Vergleich mit einer Historisch-Kritischen Auslegung der Offenbarung

Um die Unterschiede der Glaubensüberzeugung und Weltbilder deutlicher zu machen, möchte ich an dieser Stelle den Teil 1, 9-20 exegetisch untersuchen. Die Unterschiede der Hermeneutik werde ich in einem gesonderten Kapitel noch genauer ausarbeiten. Zunächst möchte ich den zu untersuchenden Text vorstellen:

Die Sendschreiben an die sieben Gemeinden:

Die Beauftragung des Johannes: 1,9 – 20

9.    Ich, euer Bruder Johannes, der wie ihr bedrängt ist, der mit euch an der Königsherrschaft teilhat und mit euch in Jesus standhaft ausharrt, ich war auf der Insel Patmos um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses für Jesus.

10.    Am Tag des Herrn wurde ich vom Geist ergriffen und hörte hinter mir eine Posaune.

11.    Sie sprach: Schreib das, was du siehst, in ein Buch, und schick es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus, nach Smyrna, nach Pergamon, nach Thyatira, nach Sardes, nach Philadelphia und nach Laodizea.

12.    Da wandte ich mich um, weil ich sehen wollte, wer zu mir sprach. Als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter

13.    und mitten unter den Leuchtern einen, der wie ein Mensch aussah; er war bekleidet mit einem Gewand, das bis auf die Füße reichte, und um die Brust trug er einen Gürtel aus Gold.

14.    Sein Haupt und seine Haare waren weiß wie weiße Wolle, leuchtend weiß wie Schnee, und seine Augen wie Feuerflammen;

15.    seine Beine glänzten wie Golderz, das im Schmelzofen glüht, und seine Stimme war wie das Rauschen von Wassermassen.

16.    In seiner Rechten hielt er sieben Sterne, und aus seinem Mund kam ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Gesicht leuchtete wie die machtvoll strahlende Sonne.

17.    Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen Füßen nieder. Er aber legte seine rechte Hand auf mich und sagte: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte

18.    und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt.

19.    Schreib auf, was du gesehen hast: was ist und was danach geschehen wird.

20.    Der geheimnisvolle Sinn der sieben Sterne, die du auf meiner rechten Hand gesehen hast, und der sieben goldener Leuchter ist: Die sieben Sterne sind die Engel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter sind die sieben Gemeinden.

Textkritik:


Die ältesten zusammenhängenden Kodices des Neuen Testamentes stammen aus dem 4. Jahrhundert. Bis ins 15. Jahrhundert entstand eine Fülle von Handschriften, erst 1516 wurde das erste Neue Testament gedruckt. In dieser Fülle habe ich mich noch für eine zusätzliche Übersetzung entschieden: von Heinz Giesen. Sie lautet:

Beauftragungsvision 1,9 – 20

9. Ich, Johannes, euer Bruder und Teilhaber an der Bedrängnis und am königlichen Volk und an der Standhaftigkeit in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen. 10. Und ich war im Geist am Herrentag und hörte hinter mir eine mächtige Stimme wie die einer Posaune, 11. Die sagte: Was du siehst, schreib in ein Buch nieder und schicke es den sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea: 12. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter 13. Und mitten unter den Leuchtern einen gleich einem Menschensohn, bekleidet mit einem fußlangen Gewand um umgürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel. 14. Sein Kopf aber, d. h. seine Haare (waren) weiß wie weiße Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme 15. Und seine Füße gleich wohlriechender Bronze (?) wie in einem glühenden Ofen, und seine Stimme wie das Rauschen gewaltiger Wasser. 16. Und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne, und aus seinem Mund kam ein zweischneidiges Schwert hervor, und sein Gesicht (leuchtete) wie die Sonne in ihrer Kraft. 17. Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot. Und er legte seine Rechte auf mich und sagte: Fürchte dich nicht mehr! Ich bin der Erste und der Letzte 18. Und der Lebendige. Und ich war tot und siehe, ich bin lebendig in alle Ewigkeiten. Und ich habe den Schlüssel zum Tod und zum Hades. 19. Schreib also nieder, was du gesehen hast, auch was es bedeutet und was danach geschehen wird. 20. Das Geheimnis der sieben Sterne, die du in meiner Rechten gesehen hast, und der sieben goldenen Leuchter (ist): Die sieben Sterne sind die Engel der sieben Gemeinden und die sieben Leuchter sind die sieben Gemeinden.

Entstehungsgeschichte des Textes

Literarkritik

Die Offenbarung des Johannes, von der gilt, daß Christus sie „kundgemacht hat, als er sie durch seinen Engel seinem Knecht Johannes sandte"(1, 1), ist die Audition und Vision des Johannes. Deshalb kann und muß Johannes die ihm widerfahrende Offenbarung auch unter seinem eigenen Namen niederschreiben und sofort aussenden, da die Stimme der Prophetie erloschen ist. Bis heute ist die Frage des Verfassers Gegenstand der Forschung. Dabei gehen die Meinungen stark auseinander. Klar ist aber, das die Offenbarung nur von einem Verfasser sofort aufgeschrieben wurde. Der Text ist kohärent. Die Texteinheit ist klar (auch im Schriftbild der Bibel) abgegrenzt. Vorher ist die Briefliche Einleitung (1, 4–8) und nach unserem Textausschnitt beginnt der erste Brief an die Gemeinde in Ephesus 2, 1-7.

Überlieferungskritik

Auch hier kann ich auf den heutigen Kenntnisstand verweisen. Der Text selber gibt uns Aufschluß darüber, daß der „Knecht Johannes" seine Engelsvision selber sofort verschriftlicht hat. Dies ist gegen Ende der Regierungszeit des römischen Kaisers Domitian (81-96 n. Chr.) passiert.

Quellen- und Redaktionskritik

Die Quellenkritik untersucht, ob ein Text wohl eine größere, zusammenhängende Quelle benutzt hat. Auch hier geht man davon aus, das die Quelle die Vision war. Es ist also anzunehmen, daß Johannes keine weiteren Quellen außer seinem eigenen Motiv benutzt hat.

Die Redaktionskritik versucht, das Wachstum eines Textes von der ersten schriftlichen Fassung bis zu seiner Endgestalt zu rekonstruieren. In unserem Fall ist kein Wachstum zu erkennen.

Formales und inhaltliches Vorgaben-Repertoire des Textes

Form- und Gattungskritik

Die Formkritik untersucht einen Text hinsichtlich seiner formalen Gestaltung, seiner sprachlich-stilistischen Mittel und der gewählten Sprachebene. Dazu ist zu sagen, daß der Text flüssig, einfach und mit einer großen Wortvielfalt gestaltet ist. Die Einleitung „Ich, euer Bruder Johannes" macht deutlich, daß er einer von „uns" (den Christen) ist. Überleitungspartikel sind fast gar nicht vorhanden. Es gibt ebenso keine Zeitadverbien, Änderungen der Darstellungsweise, Personen oder Szenen. Die einzigen Änderungen belaufen sich auf den Bericht und die Worte des Engels, was aber keine Verständnisfragen aufwirft.

Bei der Frage nach der literarischen Gattung stehen wir vor einem Problem. Die Apokalypse gehört sachlich in die Nähe der jüdischen Apokalypse, trotzdem gibt es Unterschiede. Der wichtigste ist das die Apokalypse nicht pseudepigraphisch entworfen ist, sie führt sich nicht auf eine Gestalt ferner Vergangenheit zurück und enthält auch keine „Weissagungen" der „künftigen" Geschichte. Durch 1, 1-3 ist die Apokalypse als Mitteilung übernatürlicher Offenbarung gekennzeichnet. 1, 4-8 lassen das Buch als einen Brief erscheinen, der mit dem Bericht einer beglaubigten Vision auf Patmos beginnt; die Sendschreiben sind „Briefe im Brief". Da der Erzähler teilweise selbst in den Bericht einbezogen ist (ich), erweist sich die Offenbarung des Johannes als ein breit angelegter Visionsbericht, der die Ereignisse der nahen Endzeit schildert. Terminbestimmungen fehlen; die Gewißheit, daß sich die Geschehnisse wie angekündigt ereignen werden, resultiert daraus, das er sie ja gesehen hat. Damit ist die Offenbarung keine literarische Apokalypse wie Daniel. Aber sie ist auch nicht ein Brief, sondern ein Visionsbericht, der sich teilweise der Briefform bedient.

Traditionskritik

Johannes Einleitung auf die Erscheinung erinnert etwas an die des Daniel. Er hört eine Posaune und die Zahl sieben taucht öfter auf. Bei Daniel kamen die Erscheinungen zwar nachts, aber auch ihnen liegt eine bedeutende Zahl (vier) zugrunde. „Ich, Johannes" zeugt von einer großen Autorität, obwohl er keine in der frühen Kirche bekannte Funktions- oder Amtsbezeichnung beansprucht. „In Jesus" (Vers 9) erinnert an das paulinische „in Christus". In ihm ist er ihr Bruder und teilt mit ihnen dasselbe Geschick, in ihm wurzelt die gesamte christliche Existenz. Der Geist in Vers 10 führt in eine Dimension, die der Mensch aus sich allein nicht erreichen kann. Wie alttestamentliche Propheten nennt Johannes den Zeitpunkt seiner Vision. Es ist wohl kein Zufall, daß die Entrückung am „Herrentag" geschieht, da dieser Tag von der Auferstehung an seinen Inhalt und seine Bedeutung erhält, weshalb sich die Christen an ihm zum Gottesdienst versammeln. Es ist verständlich, weshalb der Seher gerade an diesem Tag mit den fernen Gemeinden verbunden fühlt.

Nach frühkirchlicher Überlieferung wurde die Apokalypse gegen Ende der Regierungszeit Domitians geschrieben. Diese Datierung wird auch heute meistens vertreten. Das Entstehungsgebiet und –milieu ist das westliche Kleinasien. Der harte Kaiserkult verlangte das Opfer vor dem Kaiserbild und die Verfluchung Jesu Christi.

Bestimmung des historischen Ortes

Wegen der in 6, 9-11 erwähnten Märtyrer wird die Apokalypse oft in die Regierungszeit Domitians (wie bereits erwähnt) datiert, weil man annimmt, es habe unter diesem Tyrannen auch Christenverfolgung gegeben. Sichere Belege dafür haben wir jedoch nicht. Die Hinweise auf den (von Christen verweigerte) Herrscherkult passen allerdings zum Herrschaftsstil Domitians. Abfassungsort der Offenbarung kann man angesichts von 1,11 eigentlich nur eine Gemeinde in Kleinasien sein, wobei neben Ephesus auch ein anderer der dort genannten Orte in Frage käme. Daß Johannes tatsächlich auf die Insel Patmos verbannt war (1, 9), braucht man nicht in Frage zu stellen, aber das Buch selber wird dort kaum entstanden sein.

Klärung von Einzelaspekten

Begriffe

Am wichtigsten ist hier die Bedeutung der Zahl sieben zu klären. Die Sieben (drei und vier) ist Symbol für eine abgeschlossene Reihe, die Vollständigkeit und Fülle, aber auch Gewißheit bedeutet. Sie ist die Zahl, in der Gott seine Schöpfung vollendet (Gen 2, 2). Vom Seher wird sie eindeutig bevorzugt (über 50 mal). Dieser Symbolwert geht auf die Babylonier zurück, die sieben Gestirne als Gottheiten verehren, die den Lauf der Welt bestimmen. Von daher galt die sieben als eine das All umgreifende Zahl, die für die Vollkommenheit des göttlichen Handelns und die Fülle steht. Über die frühjüdische Apokalyptik gelangt diese Bedeutung in die Offenbarung, wo sie so häufig wie keine andere Zahl vorkommt. Die Zahl ist die Zahl der Geschehnisse in der Endzeit schlechthin, aber niemals heilige Zahl.

Ebenfalls möchte ich die Posaune erläutern. Nach alt-jüdischer Tradition markiert der Posaunenschall unter anderem die entscheidende Wende. So kündigt er eine Gotteserscheinung an, aber auch den nahen Gerichtstag Jahwes (Joel 2, 1) oder die eschatologische Wende überhaupt (4 Esr 6, 23) oder auch das Kommen des Messias, der die Gottlosen verbrennt. Nach dem NT kündigen Engel mit Posaunenschall die Nähe der Parusie Christi oder der Auferstehung der Toten an (z. B. Mt 24, 3).

Sachfragen

In der Bildsprache spielen die Waffen eine große Rolle. DESHALB MÖCHTE ICH Begriffe wie Schwert erläutern. Jahwe erscheint in voller Rüstung (Jes 42, 13), er schießt mit seinen Pfeilen auf die Gottlosen (Dtn 32, 23) und legt die Gerechtigkeit an wie einen Panzer (Jes 59, 17). Kerube bewachen das Paradies mit zuckendem Flammenschwert (Gen 3, 24). Aber auch das Leben eines jeden getauften ist ein geistig-religiöser Kampf gegen die gottfeindlichen Mächte. Ebenso halte ich die Theologie der Sterne für wichtig. Sie sind von Gott erschaffen und seiner Hände Werk; ihre Ordnung zeugt von seiner Macht. Da im alten Orient Sternschnuppen und Meteore als unheilverkündende Zeichen galten, spielt das Erlöschen und Fallen der Sterne, das die Offenbarung von Gottes Zorn begleitet, eine große Rolle: Beim Untergang Ägyptens und Babels verlieren sie ihren Glanz, am Ende der Welt fallen sie vom Himmel.

Historische Sinnbestimmung

Bestimmung der grundlegenden inhaltlichen Aussagen

In 1, 9-20 berichtet Johannes über seine Beauftragung zur Niederschrift des Buches. In V. 9 stellt er seine Situation dar; V. 10f folgt in einer Audition die Beauftragung selbst; V. 12-16 beschreiben die Vision des Menschensohngleichen, die den Seher mit Schrecken erfüllt. V. 17b-20 nehmen ihm den Schrecken, fordern ihn nochmals zur Niederschrift des Buches auf und dazu, die Vision zu deuten. Die zweifache Aufforderung durch Christus, das Geschaute niederzuschreiben, betont, daß der Seher nicht aus eigener Initiative, sondern im Auftrag seines Herrn handelt.

Die sieben Sterne in der rechten Hand des Menschensohns sind Sinnbilder der Engel der Gemeinden, an die sich der Verfasser jeweils richtet. Johannes von Patmos wird nicht berufen sondern erhält den Auftrag, das Buch zu schreiben.

Bestimmung der Intention des Textes zur Zeit seiner Entstehung

Christen leben in der Endzeit. Deshalb leiden sie notwendigerweise unter Bedrängnissen, die sich in unterschiedlicher Weise artikulieren. Zur Zeit des Johannes kommen diese besonders daher, daß der Alltag bestimmt ist von der Attraktivität des Götter- und Kaiserkultes samt seiner Feste und von der antichristlichen Stimmung, die daher rührte, daß Christen ihren Mitbürgern als Außenseiter erscheinen und deshalb allerlei Ungemach auf sich nehmen müssen, was im Einzelfall sogar Verbannung und Martyrium einschließen kann: Sie können sich nicht einfach anpassen, wenn sie ihrem Herrn nicht untreu werden wollen. Die gegenwärtige Zeit ist für sie Bewährungszeit, die sie bestehen können, weil sie zum königlichen Volk Gottes gehören (Vers9). Damit ist der Hintergrund für die Vision benannt, die Johannes an einem Sonntag empfängt.

Der Seher bekommt keine Privatoffenbarung; seine Vision ist vielmehr bestimmt für die Gemeinden in Kleinasien und darüber hinaus für die ganze Kirche. Aus der Eingangsvision erfahren wir deshalb nicht nur, daß das ganze Geschaute niederzuschreiben ist, sondern auch, warum das geschehen soll. Die Gemeinden sollen wissen, daß Christus als ihr Herr aufgrund seiner gottgleichen Stellung bevollmächtigt und willens ist, für sie einzutreten. Als Richter reinigt er sie von den Häretikern und schlägt die gottfeindlichen Völker (Vers 16); als Herr über den Tod und Hades führt er die getreuen Christen zum unverlierbaren Heil (Vers 18). Dieses christliche Grundwissen ist in den Gemeinden offenbar teilweise verlorengegangen, oder es bestimmt nicht mehr den Alltag. Deshalb wird es hier mit Nachdruck eingeschärft. Es geht darum, die Christen zu ermuntern, ihren Glauben in schwieriger Zeit zu leben.

5. Vergleich der hermeneutischen Prinzipien

Hermeneutik ist die Lehre von der Auslegung. Der Begriff bezeichnet die Darstellung den für die Auslegung geltenden Regeln, während Exegese die Auslegung selbst bedeutet. Da die Bibel einen menschlichen und zugleich göttlichen Ursprung hat, muß die Auslegung beides berücksichtigen. Vorteil der historisch-kritischen Exegese ist, daß durch die Vorgehensweise der Betrachter seine eigene Individualität zurücksetzt. Dadurch wird die Auslegung objektiver, als wenn man herausarbeitet, wie der Text auf das eigene Ich wirkt. Ebenso werden dogmatische Vorurteile rausgelassen. Dadurch kann der Text aus sich selber sprechen.

Das Problem der Existentialen Auslegung besteht leider darin, das Innere des zu untersuchenden Textes auf den Leser zu vergessen. Das bedeutet rückschließend, wir müssen in diesem Kapitel das Augenmerk auf die Leser und deren Verständnis richten. Die Mormonen beziehen die Bibel und Das Buch Mormon wörtlich auf ihre momentane Situation. Sie überlegen nicht, was könnte der Text zu der damaligen Zeit bedeutet haben, sondern sie interpretieren nach ihrem eigenen jetzigen Verständnis. Aus diesem Grunde habe ich die Mormonen zu Beginn der Arbeit kurz erläutert, damit wir jetzt hypothetische Thesen über ihr Verständnis aufstellen können. Wenn wir uns den Text vor Augen führen, entstehen automatisch Bilder. Wir müssen also davon ausgehen, daß es den Mormonen ebenso geht. Natürlich sind die Thesen auch durch meine eigene Erfahrungswelt belastet. Fragen wir uns also zuerst, wie könnte der Text 1. Nephi 14, 18-28 auf die Mormonen wirken?

Ein Engel erscheint Nephi und erwartet Aufmerksamkeit. Ich (Nephi) sehe einen Mann in einem weißen Gewand. Als erstes stellen sich die Leser dieses Textes nun Jesus vor, werden aber sofort aufgeklärt, daß es sich um einen Apostel handelt. Apostel mag gleichzustellen sein mit der Wertung „wichtig". Das „Ende der Welt" kann aufgrund der fanatistischen Tendenz der Mormonen zu einer gewissen Hysterie führen. Das Wissen, daß vor Johannes selbst Gott Nephi gezeigt hat, was Johannes später in seiner Offenbarung schreibt, verstärkt das egoistische Denken der Anhänger. Die folgenden Sätze sind für das Seelenleben eines Mormonen wohl eher unwichtig. Das Ende des Abschnittes hingegen wird Neugier erwecken. Was hat Nephi gesehen? Da die Mormonen ihren Präsidenten ebenfalls als einen Prophet autorisieren, hat er nun die Möglichkeit, seine Anhänger zu belehren. In welcher Art und Weise er das macht, bleibt unbekannt. Stellen wir uns also vor, ein Mormone liest aus der Offenbarung des Johannes:

Zeile 1, 9 versetzt ihn in das Denken, auch Johannes harre mit ihnen gemeinsam in ihrer jetzigen Außenseitersituation. Die Passage „um des Wortes Gottes Willen" bestärkt die Annahme, man müsse die Bibel wörtlich nehmen. Am Tag des Herrn muß für sie nicht Sonntag bedeuten, sondern eher den Tag der Epiphanie. Die Zeilen 13 bis 16 werden wieder ein geistiges Bild im Kopf der Mormonen zur Folge haben. Zeile 18 hebt die Autorität Jesus auf ihren Glauben betreffend. In den nun folgenden Abschnitten der Offenbarung können sie mit ihrem hermeneutischen Verständnis lesen, was ihr Prophet Nephi bereits gesehen hat.

Wie wir Christen mit solchen Texten umgehen habe ich in dieser Arbeit bereits dargelegt. Unser hermeneutisches Verstehen ist durchaus abstrakter und kritischer, da wir uns von einem forschungsreichen Standpunkt aus auf das Wort Gottes einlassen.

6. Schlußbemerkung und Fazit

In dieser Arbeit habe ich versucht, die Aggressivität der Mormonen mit Hilfe der historisch-kritischen Exegese zu entschärfen. In meinen Darstellungen habe ich auf objektive Art die Glaubensgrundlage der Sekte untersucht. Mir persönlich ist es ein Rätsel, wie auf einer solcher Grundlage (man denke nur an den Planeten Kolob!) eine religiöse Sondergemeinschaft entstehen konnte. Es gestaltet sich recht schwierig, auf einer solch lückenhaften Vorlage wissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen. Meine Ausführungen haben beweist, auf was für einer unbestätigten Basis die Sekte ihren Glauben aufbaut.

7. Literaturverzeichnis


Verena Czichowski, www.vrenili.de, 2000